Geburtswehen – Die Curfboard-Story

In 2017 und 2018 hatten wir im Rahmen unserer Stokedtour das Vergnügen, dem staunenden Publikum eine der innovativsten Achskonstruktion der letzten Jahre vorzustellen. Die Begeisterung war groß. Kaum jemand hat hinterfragt, wie es ist, eine solche Achse zu entwickeln und zu produzieren. Wir haben Stephan Augustin von Curfboard gebeten, die Geburt einer der erfolgreichsten Skateprodukte des Jahres zu schildern. Hier seine Sicht der Dinge.

Der Wunsch, die Bewegungen von Surfen und Snowboarden auf die Straße zu übertragen, begleitete mich seit dem Beginn meines Industrie Design Studiums in Berlin Anfang der 90er Jahre. Meine bisher bekannteste Eigenentwicklung war der BMW Streetcarver aus dem Jahr 2000, den ich im Design bei BMW ins Leben rufen durfte. Danach folgte über ein Jahrzehnt in dem ich mich allen möglichen Innovationen und Projekten widmete und viele Erfahrungen im Projektmanagement bei unterschiedlichsten Unternehmungen in Europa, USA und Asien sammelte. Im Sommer 2015 holte mein Sohn Jonas (damals 14 Jahre) eine alte 1996er „Rollbrett“ Stahlkonstruktion aus dem Keller und meinte, „das sei ganz cool“. Da fing ich an, mir Gedanken zu machen und die Leidenschaft war wieder entfacht. Im August habe ich die ersten kinematischen Modelle aus Holz und IKEA Inbusschlüsseln gebaut. Es folgten an der Bandsäge ausgeschnittenen POM (thermoplastischer Kunststoff) Achsen. Hiermit war es schon möglich, kurze Strecken zu fahren und einen Eindruck zu bekommen. Es funktionierte …!

Dank der neu eröffneten Selbstbauerwerkstatt „MakerSpace“ in Garching bei München, hatte ich auch endlich die Chance, alle Modelle und Prototypen selber zu fertigen. Es folgten zahlreiche MDF Lasermodelle und Versuchsträger – bis am Schluss zwei fahrbare Prototypen aus Alu am Wasserstrahlschneider gefertigt wurden. Jonas und ich testeten im Winter fast jeden Abend draußen auf der Straße die unterschiedlichen Achsmodelle. Der milde Winter ohne Schnee war ideal dafür. Als wir im Februar 2016 das für uns damals perfekte Modell hatten, entschied ich mich, eine Kickstarter Kampagne vorzubereiten, mit dem Wunsch die Achse in Serie zu bringen.
Neben Namensgebung und Logofindung sollte die Idee auch patentiert werden. Die Patentanmeldung war unproblematisch, da es bisher nichts Vergleichbares gab. Die Kosten dafür erwiesen sich aber dennoch deutlich höher als angenommen. Zumal diese aus privaten Mitteln finanziert werden musste. Beim Logo hatte ich schon lange die Idee Kurven zu symbolisieren. Das Signet sollte in jeder Größe erkennbar, positiv und negativ und auch auf den Kopf gestellt funktionieren. Die größte Aufgabe bestand in der Namensgebung. Eigenständig und intuitiv – keine einfachen Vorgaben. Nachdem ich eine erste Namensanmeldung wegen zu starker Ähnlichkeit mit einer bestehenden Marke wieder zurückgezogen habe, hat mich ein guter alter Freund aus Amerika via What`s App unterstützt. Nach zwei Tagen war der Name geboren: curfboard – ein Kunstwort aus „curve“ und „surf“ und beschrieb genau das, was wir beim Fahren fühlten! Viel wichtiger: Dieser Name war noch frei, sowohl für die nationalen und internationalen Namensrechte sowie die passenden Internet-Domains. Jetzt konnten wir also den nächsten Schritt planen. Für die Kickstarter-Kampagne und um mich gegen Haftungsansprüche abzusichern, gründete ich eine UG.

Leider dauerte es vier Monate, bis ich im September vom Finanzamt eine Steuernummer bekam. Ursprünglich war die Kampagne nämlich schon viel früher geplant. Mit der Firma hatte ich zum Glück die Möglichkeit statt nach Kalenderjahren auch nach Geschäftsjahren zu bilanzieren. Ohne diese Option hätte im Oktober, kurz nach Ende der Kickstarter Aktion, das Finanzamt vor der Tür gestanden. Dann wäre das Geld weggewesen und die Entwicklung und Werkzeuge nicht realisierbar.

Eine interessante Erfahrung war dann auch der Film, der für eine Kickstarter-Kampagne nötig ist. Dieser wurde in Vorleistung von einem professionellen Filmteam produziert – mit der freundlichen Unterstützung, dass die Kosten nur nach erfolgreicher Finanzierung zu zahlen sind. Das hat erst einmal den finanziellen Druck von mir genommen. Mein Sohn war noch nie vorher vor der Kamera gestanden und wusste nicht, ob er hier mitmachen sollte. Am Ende war er mit dabei.

Eigentlich wollten wir Außenaufnahmen machen, aber an dem Tag schüttete es aus Kübeln und das Filmteam hatte nur diesen einen Termin frei. Somit mussten wir alles, auch die Fahrszenen, in der Werkstatt drehen. Beim Kameraequipment wären die meisten Hobbyfilmer vor Ehrfurcht erstarrt: Eine 4K RED Kamera im Cinamascope Format! Cool für Kinofilme wie Herr der Ringe, aber bei Kickstarter laufen die Filme leider nur im 16:9 Format, mit schwarzem Balken oben und unten. Die 4K Auflösung hat letztendlich auch nichts gebracht, denn die Plattform rechnete damals im Vollbildmodus nur den kleinen HD Film hoch, also grobkörnig. Völlig unterschätzt hatte ich den kommunikativen Aufwand, der hinter einer solchen Kampagne steht, zumal einen die Interessenten auf mehreren Kanälen gleichzeitig anfunken: SMS, Kickstarter, Facebook, Instagram, Mail, WhatsApp… und das neben meinem Full-Time Job bei BMW. Der totale Overkill und nicht zu empfehlen. Extrem positiv und ein „aha Effekt“ war die Möglichkeit, mit geringen Kosten über Facebook als kommerzielle Seite im Vorfeld gezielt und mit allen Auswahloptionen Werbung zu schalten: Länder, Interessen, Hobby, Alter etc. Das hatte innerhalb von kürzester Zeit eine riesige Reichweite generiert und bescherte somit auch ein großes Publikum für die Kickstarter-Kampagne. Direkt nach Beendigung der Kampagne konnte ich dann mit dem Fabrikanten die technischen Details für die Serienfertigung besprechen. Hier habe ich mir eine erfahrene Firma gesucht, die für viele große Marken produziert. Den Kontakt hatte ich seit über 18 Jahren aus anderen Projekten und es entwickelte sich schnell eine vertrauensvolle Beziehung. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden dann in München die Konstruktion und das Seriendesign fertiggestellt. Hier gab es ein paar mehr Schleifen zu drehen als geplant, da die Form auf Grund der FEM Simulationen immer wieder angepasst werden musst.

Während der Entwicklungsarbeiten bekam ich die phantastische Nachricht, dass die Bewerbung beim „BrandNew Award“ der ISPO erfolgreich und das curfboard® unter den Finalisten war. Das bedeutete keinen kostenlosen aber einen günstigen Messestand auf der weltweit größten und wichtigsten Sportmesse, Anfang Februar 2017 in München. Nun musste allerdings schnell parallel ein Marketingplan und Material für die Messe mit Flyern erarbeitet werden.

Neben dem Stand beim „BrandNew“ hatte ich mich mit einer kleinen Ecke auf der ISPO in der Longboard-Embassy eingemietet. Die erste Resonanz auf unser curfboard war überwältigend und bestätigte , was wir geahnt hatten. Auf der ISPO war der Teufel los, jeden Abend ab 17 Uhr war Party und hunderte von Skatern fuhren in der Halle herum, bis um 22 Uhr die Scheinwerfer angingen und wir rausgeworfen wurden.

Im Frühsommer hatte das Ministry of Stoke Team mit dem unglaublichen Bus und vielen Surfskate-Brands im Gepäck, bereits eine kleine
Europatour unternommen, um Surfskaten zu promoten. Die Rückmeldungen waren auch hier gigantisch, leider konnte ich dem Team nur zwei Prototypen überlassen, von der Serienproduktion waren wir ja noch weit entfernt. Nach der Messe fing die Arbeit erst richtig an: Die Werkzeugkonstruktionen wurden erstellt, Muster gebaut, getestet und bestätigt. Im April holte ich noch einen alten Skate-, Surf- und Snowboardfreund als Partner mit an Bord. Wir wandelten die UG in eine GmbH um und stellen die Finanzierung der Erstserie sicher.

Dann ging der Werkzeugbau los. Diese Zeit kam mir ewig vor und ich rechnete immer wieder aus, wann die ersten Boards in die Auslieferung gehen könnten. Bei Kickstarter hatte ich den August 2017 angekündigt. Es lief dann zunächst besser als erhofft und ich plante den Juli für den Versand an die Kunden ein. Leider war letztendlich einer der Lieferanten nicht so zuverlässig wie gedacht. Das hatte zur Folge, dass die finale Montage der Boards erst im August stattfinden konnte. Ende September, einen Tag vor meinem Geburtstag, kam dann auch endlich der erste Container mit curfboards bei unserem Logistiker in München an und wir konnten alle Kickstarter-Unterstützer und die regulären Vorbestellungen aus dem Webshop beliefern. Ein sagenhaftes Gefühl!

Zwei Jahre Arbeit hat es von der Idee bis zur eigenen Firma gebraucht. Und nur vier Wochen später wie bei Kickstarter vor zwölf Monaten angekündigt, konnten wir liefern.

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